Ein Gedanke, der mir letztens in den Kopf kam:
Leitet sich das Wort „Business“ eigentlich von „busy-ness“ ab? Und wenn ja, wie schade ist das?
Woher kommt der Druck, den wir uns insbesondere als GründerInnen oder als kleine und große Perfektionisten oft machen? Warum können wir so oft nicht aufhören, zu rennen? Warum definieren wir uns immer noch so sehr über Leistung und viel viel viel – statt unsere eigene Definition von Erfolg zu leben und anzuerkennen, dass es vielleicht auch mit weniger Arbeit oder weniger Stress möglich ist, diesen Erfolg zu leben? Ist es überhaupt noch cool, ständig viel beschäftigt und „busy“ zu sein oder hat Erfolg inzwischen eine ganz andere Bedeutung?
Kommt das Wort „Business“ eigentlich von „busy-ness“?
Es ist egal, ob wir selbstständig sind oder angestellt. Insbesondere meine Generation, aber auch die meiner Eltern ist mit einer Leistungsgesellschaft aufgewachsen und von dieser geprägt.
Mit der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert ist eine neue Wirtschaftsordnung entstanden, die auf Leistung und Effizienz ausgerichtet ist. Für die Fabrikarbeit damals wurden disziplinierte Arbeitskräfte gebraucht, die stundenlang in einem bestimmten Rhythmus arbeiten konnten. Der Erfolg der industriellen Produktion hing von der Leistungsfähigkeit der Arbeiter ab. Und es ist nicht verwunderlich, dass genau das eine Ursache für die Entstehung der Leistungsgesellschaft ist.
In einer leistungsbasierten Gesellschaft ist Wettbewerb und Konkurrenz ein entscheidender Faktor. Wo früher Kollaboration und Austausch war, konkurrieren Unternehmen und Arbeitnehmer heute um den Zugang zu Ressourcen, Marktanteilen und Karrieremöglichkeiten. Anstrengung und harte Arbeitsethik haben hier jahrelang Vorteile, sogar Wettbewerbsvorteile, gebracht.
Und dann gibt es natürlich noch den Kapitalismus: Im Kapitalismus sind Produktivität und Leistung unverzichtbare Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg und das Wachstum von Unternehmen. Das Streben nach Profit und Effizienz hat auf jeden Fall auch zur Schaffung einer leistungsbasierten Kultur beigetragen.
Durch die Generationen vor uns haben wir von klein auf gelernt und erfahren, dass Leistung belohnt wird und zu Erfolg führt. „Von nichts kommt nichts“ oder „Das Leben ist kein Ponyhof“ sind keine unbekannten Sätze, die auch ich immer wieder hören durfte.
Diese Glaubenssätze und Prägungen ziehen sich natürlich durch und sind nicht auf Knopfdruck auszuschalten.
Als ich festangestellt war, waren die Muster da im Sinne von: Ich muss es allen recht machen, ich darf keine Minute zu früh Feierabend machen. Ich muss immer over-delivern, um mich weiterzuentwickeln und gesehen und anerkannt zu werden. Je mehr ich arbeite und in der Arbeitszeit schaffe, desto eher wertschätzen das auch meine Kollegen.
Ein Teufelskreis. Je mehr ich geschafft und erreicht habe, desto mehr Verantwortung und To Dos wurden mir zugeschoben. Dass das auf Dauer ungesund ist, brauche ich nicht zu erzählen.
Das Spannende und vielleicht auch Traurige war… es änderte sich nichts mit der Entscheidung, mich selbstständig zu machen. Obwohl ich damals – und ich glaube das geht ganz vielen so, die sich selbstständig machen – aus einem privaten Schicksalsschlag heraus wachgerüttelt wurde und so schnell wie möglich etwas an meiner damals extrem stressigen Situation in der Festanstellung ändern wollte, mir vorgenommen hatte, es ab diesem Zeitpunkt ganz anders zu machen, den Druck rauszunehmen und mir Zeit zu geben – war genau das Gegenteil der Fall.
Die Muster und Glaubenssätze bleiben. Und noch herausfordernder: Ich war plötzlich meine eigene Chefin, komplett auf mich allein gestellt und durfte erstmal lernen, wie es ist, mir selbst als Mitarbeiterin und umgekehrt mir selbst als Vorgesetzte zu begegnen. Plötzlich war ich nicht mehr nur Designerin, sondern hatte verschiedene Hierarchien und jegliche Themenbereichen im Business für mich selbst zu verantworten. War neben der Tätigkeit als Designerin auch Buchhaltung, Vertrieb, Marketingexpertin, Produktentwicklerin, Strategin, Social Media Managerin – und seit letztem Jahr auch noch Führungskraft für mein kleines Team. Und natürlich für mich selbst. In einem ständig wachsenden und sich verändernden Markt sollte ich außerdem stets auf dem neuesten Stand bleiben, mich mitentwickeln, Neues lernen, Bestehendes anpassen.
Als Gründer/in sind wir oft allein für den Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens verantwortlich. Diese Verantwortung kann zu einem Gefühl der Isolation und Einsamkeit führen, was den Leistungsdruck noch verstärkt. Wenn das Unternehmen nicht wie geplant läuft oder es zu Rückschlägen kommt, ist die Überforderung vorprogrammiert.
Etwas, an das ich mich – und du dich – immer wieder erinnern darf: Wir haben nie genug Zeit, um alles zu schaffen, zu erledigen, oder zu erleben, was uns vielleicht vorschwebt. Je schneller und produktiver wir umsetzen und „abarbeiten“, umso länger wird die To Do Liste werden. Egal, ob ich an kreativen Kundenprojekten, an Präsentationen, Podcastfolgen, Layouts sitze – oder an einem wunderschönen Ort und vermeintlich nie genug Zeit habe, all das zu sehen, zu entdecken und zu erleben, was ich könnte und mir empfohlen wird. Während der Reise Projekte voranzutreiben, Zeit mit meinen Liebsten zu verbringen, die Umgebung auszunutzen, und am besten auch noch genügend Zeit für mich selbst zu finden. Je mehr Freiheiten, Möglichkeiten, und Flexibilität wir haben – desto herausfordernder wird es, mit diesen zu spielen.
Wir alle haben eine gewisse Zeit, die uns geschenkt wird.
Mehr als genug, um gerade all das zu tun, was wichtig ist. Mehr als genug, um das zu erleben, was mich wirklich reizt. Mehr als genug, um für mich selbst zu entscheiden, was gerade Priorität hat. Ein Spaziergang? 5 Minuten Kaffeepause am Fenster? Projekt XY? 10 Minuten Journaling oder Bewegung, um meine Energie wieder zu mir zurückzuholen? Mein Gesicht für einen Moment in die Sonne zu halten? Denn genau diese kleinen Momente zwischendrin sind es doch, die den Tag und das Leben am Ende ausmachen.
Es ist immer eine Entscheidung, die wir treffen dürfen. Will ich mich stressen und immer weiter rennen? Oder will ich dankbar für die vielen Möglichkeiten bewusst entscheiden, für was ich meine Zeit wirklich nutzen möchte? Was genau ich mit meiner wertvollen Zeit anstelle, die vermeintlich sowieso nie genug ist?
Die allerwichtigste Frage, die immer hinter allem steht: Wofür tue ich, was ich tue? Was ist mein Antrieb und mein Warum für den Workload, den ich vielleicht gerade habe? Mache ich das, um mir selbst oder anderen etwas zu beweisen? Oder es anderen recht zu machen, weil ich im People Pleasing Mode bin? Oder verfolge ich gerade damit mein eigenes Warum, mein eigenes Wachstum, ein Großes Ganzes das mich motiviert hält und dafür brennen lässt?
Was hilft?
Ein paar weitere Gedanken, die mir sehr geholfen haben und helfen, wann immer ich eine gefühlt endlose To Do Liste und viele Dinge gleichzeitig zu jonglieren habe:
Wie will ich selbst als Chefin für mich sein?
Realistische Ziele, Timings und gesunde Grenzen. Eine klare Projektplanung über Monate hinweg. Nein sagen und Ja sagen, wenn ich es wirklich ernst meine. Nur die Projekte und Kunden annehmen, mit denen ich mich wirklich identifizieren kann und für die ich gerade die entsprechende Energie aufbringen kann.
Realistische Erwartungen an mich selbst und andere. Niemand ist perfekt und Fehler gehören zum Leben dazu. Wir sollten uns selbst und anderen gegenüber generell nachsichtiger und verständnisvoller sein.
Auf mein eigenes Wohlbefinden achten, Selbstfürsorge. Ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung. Dinge tun, die mir Energie geben und die Dinge reduzieren, die mir Energie nehmen.
Ein unterstützendes, motivierendes Umfeld. Menschen die mir spiegeln, wenn ich mich übernehme. Und die mich verstehen – nicht diejenigen, die sich gerade in einem ganz anderen Lebensabschnitt befinden und wenig mit meiner Tätigkeit und dem Struggle zwischen ständigem „Viel“ und der absoluten Liebe für die Tätigkeit und Motivation, immer noch mehr zu tun, anfangen können.
Ausprobieren, lernen und es beim nächsten Mal bewusst anders machen. Mich selbst und meine Entscheidungen und Handlungen regelmäßig reflektieren. Check Ins machen und diese Bestandsaufnahme nicht nur zum neuen Jahr, sondern alle paar Wochen zu integrieren und zu priorisieren. Mir bewusst zu machen, warum ich mich unter Druck setze und welche Erwartungen ich habe. An mich und andere und andere an mich.
Priorisieren, was für mich gerade am wichtigsten ist – und was für mein Business am wichtigsten ist.
Und annehmen, dass es einfach auch immer wieder Phasen gibt, die mal sehr „busy“ sind. Erfolg kommt nicht vom Himmel geregnet und manchmal braucht es die Extrameile, die Überstunde oder die Nachtschicht, um ein paar Dinge voranzubringen. Es sollte nur nicht die Norm werden.
Es ist so wichtig, sich daran zu erinnern, dass das Scheitern ein natürlicher Teil des Unternehmertums ist. Der Weg zum Erfolg ist nie geradlinig, und es gibt immer Rückschläge und Herausforderungen. Indem ich mich auf das Lernen aus Fehlern konzentriere und darauf, wie ich genau diese Fehler in Zukunft nutzen kann – oder anders entscheiden kann. Genau dadurch kann ich den Leistungsdruck reduzieren und mich auf meinen ganz individuellen Weg zum Erfolg konzentrieren.
Die Welt dreht sich weiter, auch wenn wir nicht 24/7 präsent sind. Projekte gehen voran, insbesondere wenn wir Zeit haben, unsere kreativen Akkus zu laden. Wir sind nicht plötzlich weg von der Bildfläche, wenn wir mal ein paar Tage oder Wochen nichts posten. Und vor allem: Die Ideen können erst wieder sprudeln, wenn wir ihnen ein bisschen Raum geben. Ein Buch lesen, das überhaupt nichts mit Business zu tun hat. Den Zweigen im Wind zusehen, Sternschnuppen zählen und im Wasser plantschen. Kaffee kochen und trinken, ohne Meetings, Deadlines und Zeitdruck im Hinterkopf zu haben.
Mein kleiner Impuls für heute: Bleib auch mal stehen, schau dich um und feiere, was du alles geschafft hast. Feiere all die kleinen und großen Momente, Projekte, alle Hürden und Herausforderungen, alles was du gelernt und erfahren hast. Wir sind so oft im Strudel, so oft rauscht die Zeit nur an uns vorbei. Und wir vergessen auf diesem Weg auch einfach mal die Aussicht zu genießen.
Die Perfektion loslassen
Es geht nicht darum, etwas perfekt zu machen. Sondern darum, es überhaupt zu tun. Zu lernen, zu wachsen, zu probieren.
Es geht nicht darum, schneller mehr zu verdienen oder zu erreichen. Sondern darum, unsere eigene Superpower und Einzigartigkeit zu entdecken, die wir geben, teilen und mit der wir Menschen bewegen können.
Es geht nicht darum, möglichst schnell die Karriereleiter zu erklimmen. Sondern darum, mit unserer Vision und den Dingen und Themen, die uns gerade berühren, einen Unterschied zu machen.
Es geht nicht darum, am Ende des Tages möglichst viel geleistet zu haben. Sondern darum, gelebt zu haben und mit vollem Herzen einzuschlafen.
Es geht nicht darum, in einer schicken Villa, am Strand oder auf Bali zu sitzen. Sondern darum, ein sicheres Dach über dem Kopf und ein echtes Zuhause zu haben.
Es geht nicht darum, uns zu optimieren und jemand anderes zu werden. Sondern darum, uns zu sehen und anzunehmen wie wir sind.
Es geht nicht darum, ständig nach mehr zu streben. Sondern darum, genau im Hier und Jetzt das Leben so zu kreieren, zu genießen und zu leben, wie es uns entspricht.
Unsere Zeit Zeit sein zu lassen, nicht alles zu optimieren und noch schneller zu rennen.
Sondern die wertvolle Zeit so zu füllen und zu nutzen, dass wir am Ende des Tages und Lebens sagen können: Ich habe gelebt.
Ich glaube es geht darum, gemeinsam Veränderung zu schaffen und es anders vorzumachen. Ein Vorbild zu sein und nicht noch mehr Vergleich, Wettbewerb und Druck zu erzeugen. Gemeinsam Erfolg neu zu definieren. Und zu überlegen, was Business oder Karriere für uns bedeutet und wie wir diese leben und kreieren möchten.